Kognitive Dissonanz bezeichnet einen unangenehmen inneren Spannungszustand, der entsteht, wenn eine Person widersprüchliche Gedanken, Überzeugungen, Einstellungen oder Verhaltensweisen hat. Dieser Begriff wurde von dem Psychologen Leon Festinger in den 1950er Jahren eingeführt.
Ein klassisches Beispiel: Jemand raucht, obwohl er weiß, dass Rauchen gesundheitsschädlich ist. Die Überzeugung („Rauchen ist schädlich“) steht im Widerspruch zum Verhalten („Ich rauche trotzdem“). Das erzeugt kognitive Dissonanz. Um diesen Konflikt aufzulösen, könnte die Person entweder ihr Verhalten ändern (aufhören zu rauchen) oder ihre Überzeugung anpassen (z. B. die Gefahr herunterspielen: „So schlimm ist es nicht“).
In der Politik tritt kognitive Dissonanz oft auf, wenn die Realität nicht mit den Erwartungen, Überzeugungen oder dem Selbstbild einer Person, einer Gruppe oder einer ganzen Gesellschaft übereinstimmt. Menschen neigen dazu, diesen Widerspruch entweder zu ignorieren, zu rechtfertigen oder die Wahrnehmung anzupassen, um das Unbehagen zu reduzieren. Das kann sich auf Wähler, Politiker oder ganze Gesellschaften beziehen.
Aktuell könnte man die wirtschaftliche Lage betrachten: Deutschland galt lange als Exportweltmeister, doch Rezession, Deindustrialisierung (z. B. durch hohe Energiekosten) und geopolitische Unsicherheiten zeichnen ein anderes Bild. Wenn Bürger weiterhin glauben, „wir sind stark“, aber Arbeitsplätze verschwinden und die Inflation steigt, entsteht Dissonanz. Politiker könnten das durch Versprechen („Wir holen das zurück“) oder Ablenkung (Fokus auf andere Themen) mildern.
Kognitive Dissonanz spielt gerade auch beim Trading und der Geldanlage eine große Rolle, weil diese Bereiche stark von Emotionen, Erwartungen und rationalen Entscheidungen geprägt sind. Hier entsteht sie oft, wenn die Realität des Marktes nicht mit den Überzeugungen, Hoffnungen oder Handlungen eines Investors übereinstimmt. Ich erkläre dir, wie sie sich äußert, und gebe konkrete Beispiele.
Ein Investor glaubt an eine bestimmte Strategie oder Aktie („Das wird steigen!“), aber der Markt entwickelt sich anders (Verluste). Der innere Konflikt zwischen der Überzeugung und der Realität erzeugt Unbehagen.
Anleger neigen dazu, Verluste oder schlechte Entscheidungen zu rationalisieren, statt sie als Fehler anzuerkennen, um die Dissonanz zu reduzieren.
Wenn Informationen (z. B. schlechte Quartalszahlen) den Glauben an eine Investition infrage stellen, werden sie oft ausgeblendet, weil sie den inneren Widerspruch verstärken würden.
Der berüchtigte „Hold Bias“: Anleger halten an sinkenden Aktien fest, weil sie nicht akzeptieren wollen, dass sie falsch lagen – ein Konflikt zwischen Ego („Ich treffe gute Entscheidungen“) und Realität („Ich verliere Geld“).
Nach einem Verlust setzen manche mehr Geld ein, um „es zurückzugewinnen“, obwohl das rational nicht sinnvoll ist. Das Verhalten widerspricht der Vernunft, wird aber durch den Wunsch getrieben, die Dissonanz („Ich habe versagt“) aufzulösen.
Ein Trader kauft eine Tech-Aktie, weil er überzeugt ist, dass das Unternehmen die nächste große Sache ist (z. B. ein Hype um KI). Die Aktie fällt wegen eines Skandals um 30 %. Statt zu verkaufen, hält er fest und sagt sich: „Das ist nur temporär, die kommen zurück.“ Die Dissonanz zwischen „Ich habe eine kluge Wahl getroffen“ und „Ich verliere Geld“ wird durch Optimismus reduziert, obwohl die Fakten dagegen sprechen.
2021/22 investierten viele in Bitcoin oder Altcoins mit der Überzeugung: „Das ist die Zukunft des Geldes.“ Als die Kurse 2022 crashten, rechtfertigten einige das mit „Das ist nur ein Dip, langfristig wird’s steigen“, statt den Verlust zu realisieren. Die Dissonanz („Ich bin ein schlauer Investor“ vs. „Mein Portfolio ist halbiert“) wird durch HODLing und Hoffnung überbrückt.
Ein Daytrader hat eine Strategie, die auf technischen Indikatoren basiert, und glaubt fest daran. Ein Trade geht schief, weil der Markt irrational reagiert (z. B. durch News). Statt die Strategie zu hinterfragen, schiebt er es auf „Pech“ oder „Manipulation“. Die Dissonanz („Meine Methode ist solide“ vs. „Ich verliere“) wird durch externe Schuldzuweisung gelöst.
Ein Anleger kauft eine Immobilie in einer Boomregion, überzeugt, dass die Preise ewig steigen. Plötzlich stagniert der Markt oder fällt (z. B. durch Zinserhöhungen). Anstatt zu verkaufen, denkt er: „Das ist nur eine Phase, Immobilien sind immer sicher.“ Die Dissonanz zwischen „Ich habe klug investiert“ und „Mein Vermögen schrumpft“ wird ignoriert oder bagatellisiert.
Jemand investiert in riskante Derivate oder Penny Stocks, weil er glaubt, „das große Geld“ zu machen. Warnungen von Experten oder Freunden werden abgetan („Die verstehen das nicht“). Als Verluste eintreten, rechtfertigt er es mit „Das Risiko war kalkuliert“ – obwohl es das oft nicht war. Die Dissonanz („Ich bin vorsichtig“ vs. „Ich habe überstürzt gehandelt“) wird durch Selbsttäuschung gemildert.
Anleger suchen gezielt nach Informationen, die ihre Entscheidung stützen (z. B. positive Analystenmeinungen), und ignorieren Gegenteiliges.
Der Schmerz eines Verlusts ist stärker als die Freude über Gewinne, was dazu führt, dass man Verluste nicht realisieren will, um die Dissonanz zu vermeiden.
Viele glauben, sie könnten den Markt schlagen, obwohl die Statistik (z. B. dass 80 % der Daytrader langfristig verlieren) dagegen spricht.
Kognitive Dissonanz kann zu irrationalen Entscheidungen führen – etwa zu lange an Verlierern festzuhalten oder Gewinne zu früh mitzunehmen. Um das zu minimieren, hilft:
Beim Trading und der Geldanlage äußert sich kognitive Dissonanz oft in der Diskrepanz zwischen Erwartung („Ich mache Gewinn“) und Realität („Ich verliere“). Sie zeigt sich in Rechtfertigungen, Leugnen oder Festhalten an schlechten Positionen. Wer sie erkennt, kann bewusster handeln – aber das erfordert Disziplin, denn der Drang, die innere Spannung aufzulösen, ist stark.
Hier sind einige allgemeine Strategien, die psychologisch fundiert sind und helfen können:
Mehr zum Thema Mindset, Psychologie beim Trading und Persönlichkeitsentwicklung erfährst du in der Passiver Geldfluss Academy – Aktien und Trading .
KI als Sprungbrett: So meisterst du deinen beruflichen Neustart mit KI im mittleren Alter Die…
Bitcoin bleibt die unangefochtene Nummer 1 der Kryptowährungen, doch nach dem dramatischen Kursrückgang am 10.…
Die Zukunft der Geldanlage bis 2035: Hybride Szenarien und ihre Wahrscheinlichkeiten Aus der Perspektive des…
Fragmentierte Welt – Geopolitik und Dezentralisierung: Die Zukunft der Geldanlage bis 2035 Aus der Perspektive…
Die beeindruckende Rally bei Gold und Silber im Jahr 2025 Die Rally bei Gold und…
Weiter geht es mit der monatlichen Übersicht der beliebtesten Artikel auf finanziell- umdenken.info im September…
View Comments
Als Versicherungsmakler begegne ich täglich den psychologischen Herausforderungen, die der Artikel so treffend beschreibt. Die kognitive Dissonanz – dieser innere Konflikt zwischen Überzeugungen und tatsächlichem Handeln – ist ein zentrales Hindernis für finanzielle Entscheidungen meiner Kunden. Besonders interessant finde ich die Erkenntnis, dass diese Dissonanz beim Trading und der Geldanlage besonders stark ausgeprägt ist, da hier Emotionen, Erwartungen und rationale Entscheidungen aufeinandertreffen.
In meiner Beratungspraxis erlebe ich häufig, wie Anleger mit unrealistischen Zeithorizonten operieren – sie erwarten kurzfristige Gewinne, obwohl langfristiges Denken erforderlich wäre. Warren Buffetts Weisheit wird dabei oft ignoriert, was zu emotionsgetriebenen Entscheidungen führt.
Die vom Artikel beschriebenen typischen Denkfehler und deren Kategorisierung sind wertvolle Werkzeuge für meine Beratungsgespräche . Sie helfen mir, Kunden ihre eigenen kognitiven Verzerrungen bewusst zu machen und dadurch bessere Anlageentscheidungen zu fördern.
Der ganzheitliche Ansatz zur finanziellen Unabhängigkeit, wie er auf finanziell-umdenken.info vertreten wird, ergänzt meine Beratungsphilosophie ideal. Auf [ludwigoelze.com](https://ludwigoelze.com) teile ich regelmäßig praktische Ansätze, die psychologische Erkenntnisse mit fundierter Finanzberatung verbinden, um meinen Kunden zu helfen, ihre kognitiven Dissonanzen zu überwinden und bessere finanzielle Entscheidungen zu treffen.
Ludwig Oelze