Anfang Mai 2025 hatte ich dem KI-Tool Grok (xAI) die Frage gestellt, wie es 100.000 Euro anlegen würde. Damals kündigte ich bereits an, diese Anfrage in Abstand von einigen Monaten zu wiederholen, um die Änderungen der Einschätzung zu sehen. Diese Anfrage „Wie sollten im Spätsommer 2025 100.000 Euro investiert werden?“ hatte ich im August 2025 der damals neuste Version Grok 4.0 erneut gestellt. Jetzt im November 2025 wende ich mit dieser Fragestellung nicht nur an Grok (mittlerweile Version 4.1), sondern an gleich fünf führenden KI-Tools.
Dieser Artikel dient der Analyse und dem Vergleich von Anlagestrategien, die von fünf verschiedenen KI-Modellen generiert wurden: Grok 4.1, Gemini 3.0, Kimi, GPT5 sowie Claude 4.5. Ziel ist es, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Empfehlungen herauszuarbeiten, um ein tieferes Verständnis für die aktuelle Logik künstlicher Intelligenz im Bereich der Vermögensallokation zu gewinnen.
Das zugrunde liegende Szenario für alle KI-Modelle war identisch: Ein Investor möchte am fiktiven Datum des 21. November 2025 eine Summe von 100.000 Euro anlegen. Das Risikoprofil wird als chancenorientiert definiert, und der Anlagehorizont beträgt 5 bis 10 Jahre.
Die Struktur des Berichts folgt den fünf Kernfragen, die den KIs gestellt wurden: Vermögensaufteilung, geografische und sektorale Schwerpunkte, Liquiditätsreserve, Gewinnpotenzial und Risikobewertung. Die Antworten der Modelle werden thematisch gegenübergestellt und analysiert. Ein abschließendes Fazit bewertet die qualitativen Unterschiede der Ansätze und charakterisiert die „Persönlichkeit“ jedes Modells.
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Die strategische Vermögensallokation, also die Aufteilung des Kapitals auf verschiedene Anlageklassen, gilt als der entscheidende Faktor für den langfristigen Anlageerfolg. Sie legt das Fundament für das Rendite-Risiko-Profil des gesamten Portfolios. Die Empfehlungen der KI-Modelle zeigen hier einen bemerkenswert starken Konsens.
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KI-Modell |
Empfohlener Aktienanteil |
Weitere Anlageklassen (Anteile) |
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Claude 4.5 |
70–85 % |
Anleihen (10–20 %), Alternative Investments (5–10 %), Liquidität (5 %) |
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Gemini 3.0 |
Mind. 80 % |
Satelliten/Beimischungen (10–15 %), Liquidität (5 %) |
|
Grok 4.1 |
80–90 % |
Anleihen (5–10 %), Rohstoffe/Gold (5 %) |
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Kimi |
Mind. 70 % (besser 75–80 %) |
Sicherheitsbaustein (10–15 %), Liquidität (5 %) |
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GPT5 |
70–85 % |
Rohstoffe (5–10 %), Anleihen (5–10 %), Liquidität (5–10 %) |
Die Analyse der Tabelle offenbart einen klaren Konsens: Angesichts des chancenorientierten Profils und des langen Anlagehorizonts empfehlen alle Modelle eine sehr hohe Aktienquote, die sich im Korridor von 70 % bis 90 % bewegt. Dies unterstreicht die einhellige Auffassung, dass Aktien der primäre Renditetreiber für den Kapitalaufbau sind. Die geringfügigen Unterschiede in den Beimischungen spiegeln verschiedene strategische Philosophien wider. Während die meisten Modelle Anleihen und Rohstoffe als stabilisierenden „Airbag“ (Gemini 3.0) oder zur Diversifikation einsetzen, verfolgt Grok 4.1 mit einer minimalen Allokation von 5–10 % in Anleihen bewusst eine Strategie, die defensiven Ballast zugunsten einer Maximierung der Wachstumstreiber reduziert – eine durch den langen Zeithorizont gerechtfertigte Entscheidung.
Diese grundlegende Übereinstimmung bei der Allokation leitet zur detaillierteren Betrachtung über, wie die KIs die hohen Aktienanteile konkret investieren würden.
Die Auswahl von Regionen und Branchen geht über die reine Diversifikation hinaus; sie ist eine aktive Wette auf die zukünftigen Wachstumstreiber der Weltwirtschaft. Auch hier zeigen die KI-Modelle signifikante Übereinstimmungen, aber auch interessante strategische Nuancen.
Geografisch herrscht eine hohe Übereinstimmung bei der Übergewichtung der USA. Alle Modelle, die spezifische Quoten nennen, empfehlen einen Anteil von 50 % bis 70 % des Aktienvermögens in den Vereinigten Staaten. Die Begründungen sind konsistent: Die USA werden als dominanter Innovationsmotor, insbesondere in der Technologie, mit den profitabelsten Unternehmen der Welt angesehen.
Bei den Schwellenländern zeigt sich eine klare strategische Neuausrichtung. Eine deutliche Mehrheit der Modelle – Gemini 3.0, Grok 4.1 und GPT5 – formuliert eine explizite These, die einen strategischen Schwenk weg von China vollzieht. Sie begründen dies mit dem demografischen Vorteil und Wachstumspotenzial von Indien & Südostasien, während China laut GPT5 aufgrund „politischer & regulatorischer Risiken“ nur noch selektiv und gering gewichtet werden sollte. Lediglich Kimi und Claude halten an einer breiteren Emerging-Markets-Empfehlung fest, die China noch miteinschließt.
Bei den sektoralen Schwerpunkten kristallisieren sich zwei Megatrends heraus, auf die fast alle Modelle setzen:
Darüber hinaus setzen einzelne KIs einzigartige Akzente. Groks datengetriebener Ansatz, der mit der Analyse hoher US-Marktbewertungen und geopolitischer Spannungen beginnt, führt direkt zu seiner unkonventionellen Übergewichtung von Verteidigung und Energie – ein klares Beispiel dafür, wie eine Top-down-Makroanalyse die taktische Allokation beeinflusst. Kimi identifiziert zudem Gaming/eSports als starken Wachstumssektor. Diese spezifischen Empfehlungen zeigen, dass die Modelle über die bloße Nennung von Standard-Trends hinausgehen und eigene strategische Logiken entwickeln.
Nach der Betrachtung der Investitionschancen stellt sich die Frage nach der notwendigen Absicherung und Flexibilität, die durch eine Liquiditätsreserve geschaffen wird.
Eine Liquiditätsreserve erfüllt eine doppelte Funktion in einem Anlageportfolio: Sie dient als Puffer für unvorhergesehene Ausgaben und als strategisches Kapital, um bei Marktkorrekturen antizyklisch nachkaufen zu können und das sprichwörtliche „Pulver trocken zu halten“. Die KI-Modelle gewichten diese beiden Funktionen unterschiedlich.
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KI-Modell |
Empfohlene Liquiditätsreserve (%) |
Begründung laut KI |
|
Claude 4.5 |
5 % |
Taktische Reserve, um bei Korrekturen „Pulver trocken zu halten“ |
|
Gemini 3.0 |
5 % |
„Dry Powder“ für Nachkäufe; zu viel Cash verursacht renditeschädlichen „Cash Drag“ |
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Grok 4.1 |
5–10 % (im Portfolio) |
Unterscheidet klar: 5–10 % für Anlagechancen; separater Notgroschen (3–6 Monatsausgaben) außerhalb des Portfolios |
|
Kimi |
10–15 % |
„Schlaf-gut-Reserve“, um Panikverkäufe in der Krise psychologisch zu vermeiden |
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GPT5 |
5–10 % |
Opportunitäten in Marktkorrekturen nutzen und Risiko reduzieren |
Die Bandbreite der Empfehlungen reicht von 5 % bis zu 15 %. Diese Spanne spiegelt die implizite Risikophilosophie des jeweiligen Modells wider. Gemini 3.0 und Claude vertreten eine rein opportunistische Sicht, bei der die Liquidität primär als strategisches Kapital für Nachkäufe dient. Kimi hingegen legt mit bis zu 15 % den stärksten Fokus auf die psychologische Sicherheitsfunktion. Die Reserve soll dem Anleger die Ruhe geben, einen schweren Markteinbruch auszusitzen. Grok 4.1 differenziert am stärksten, indem es eine taktische Reserve innerhalb des Portfolios von einem existenziellen Notgroschen außerhalb trennt – ein Ansatz, der einer umfassenden Finanzplanung am nächsten kommt.
Von der Reservehaltung, die keine Rendite erwirtschaftet, führt der logische Schritt zur Betrachtung des Ertragspotenzials des investierten Kapitals.
Siehe dazu auch: So sollten jetzt 100.000 Euro angelegt werden, sagen die weltbesten KI-Tools auf dem YouTube-Kanal KI & Kapital .
Renditeprognosen sind naturgemäß mit Unsicherheiten behaftet. Sie basieren auf historischen Durchschnittswerten, aktuellen Marktanalysen und fundamentalen Trends. Sie stellen eine Bandbreite möglicher Ergebnisse dar und sind keine Garantien. Die Erwartungen der KI-Modelle bewegen sich in einem erstaunlich engen Korridor.
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KI-Modell |
Prognose 5 Jahre (bis 2030) |
Prognose 10 Jahre (bis 2035) |
|
Claude |
+40 % bis +50 % (€140.000–150.000) |
+90 % bis +120 % (€190.000–220.000) |
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Gemini 3.0 |
+47 % (€147.000) |
+115 % (€215.000) |
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Grok 4.1 |
+30 % bis +45 % (€134.000–154.000) |
+80 % bis +165 % (€180.000–265.000) |
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Kimi |
€134.000–154.000 |
€179.000–236.000 |
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GPT5 |
+25 % bis +60 % |
+70 % bis +150 % |
Die Analyse zeigt eine hohe Konsistenz in den realistischen Erwartungen, die sich bei den meisten Modellen auf eine durchschnittliche jährliche Rendite von 6 % bis 9 % belaufen. Dies würde das Anfangskapital von 100.000 € nach zehn Jahren auf einen Betrag zwischen rund 180.000 € und 240.000 € anwachsen lassen. Während die meisten Modelle eine Bandbreite möglicher Szenarien aufzeigen, sticht Grok 4.1 mit der aggressivsten optimistischen Prognose hervor und hält bei einem Boom in den Sektoren KI und Energie sogar 10–12 % p.a. nominal (über 300.000 € nach 10 Jahren) für realistisch.
Renditechancen sind jedoch untrennbar mit Risiken verbunden. Das nächste Kapitel widmet sich daher der Kehrseite der Medaille.
Für ein chancenorientiertes Portfolio ist die Analyse des maximalen potenziellen Verlusts von entscheidender Bedeutung. Der „Maximum Drawdown“ ist eine Kennzahl, die den größten prozentualen Rückgang eines Portfolios von einem Höchst- zu einem Tiefststand misst. Er quantifiziert den maximalen temporären Verlust, den ein Anleger psychologisch und finanziell aushalten muss.
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KI-Modell |
Erwarteter Max. Drawdown (temporärer Verlust) |
|
Claude |
-35 % bis -45 % (in einer schweren Rezession) |
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Gemini 3.0 |
-40 % bis -50 % |
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Grok 4.1 |
-45 % bis -60 % (Portfolio-Ebene) |
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Kimi |
-35 % bis -45 % |
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GPT5 |
-35 % bis -50 % (bis zu -60 % in Extrem-Crashs) |
Die prognostizierten Drawdowns der Modelle sind sehr ähnlich und bewegen sich typischerweise im Bereich von -35 % bis -55 %. Das bedeutet, der Wert des Portfolios könnte von 100.000 € zeitweise auf bis zu 45.000 € fallen. Während die meisten Modelle ihre Warnungen auf historische Vergleiche stützen (z.B. Finanzkrise 2008), hebt sich Grok 4.1 durch seine analytische Methodik ab. Es ist das einzige Modell, das seine besonders hohe Risikoeinschätzung (-55 % bis -60 %) explizit auf eine quantitative Kennzahl stützt: eine mögliche Normalisierung des extrem hohen Shiller-CAPE-Ratios, was einen fundamental begründeten Drawdown impliziert. Kimi betont die psychologische Dimension und unterstreicht, dass ein solcher Einbruch eine Frage sei von „wann, nicht ob“.
Die einstimmige Kernaussage aller Modelle ist jedoch beruhigend und für die Strategie entscheidend: Solange der Anleger den Anlagehorizont von 5–10 Jahren einhält und Panikverkäufe am Tiefpunkt der Krise vermeidet, ist das Risiko eines permanenten Kapitalverlusts historisch betrachtet sehr gering bis nahe Null.
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Über die reinen Zahlen hinaus offenbart die Analyse, dass die KI-Modelle unterschiedliche Stile, Argumentationsstrukturen und Analysetiefen aufweisen. Diese qualitativen Merkmale sind wichtige Unterscheidungsfaktoren und prägen den Charakter jeder Empfehlung.
Die vergleichende Analyse der fünf KI-Anlagestrategien zeigt eine hohe Konvergenz bei den quantitativen Kerngrößen. Eine hohe Aktienquote, der geografische Fokus auf die USA und die thematische Gewichtung von Technologie und Gesundheit bilden den gemeinsamen Nenner.
Die signifikanten Unterschiede liegen jedoch im „Wie“: in den strategischen Nuancen (z. B. die China-Frage), der methodischen Tiefe (datengetrieben vs. historisch-analog) und in der Risikokommunikation. Während Grok den datengetriebenen Analysten anspricht, könnte Kimi mit seinem Fokus auf die emotionale Stabilität eher Anleger mit einem Bedürfnis nach Sicherheit überzeugen. Gemini wiederum eignet sich für Investoren, die eine überzeugende Zukunftsgeschichte suchen. Dies demonstriert, dass das quantitative „Was“ der KI-gesteuerten Vermögensallokation konvergiert, während das qualitative „Warum“ und „Wie“ zu entscheidenden Unterscheidungsmerkmalen werden. Dies deutet auf eine Zukunft hin, in der es bei der Anlageberatung nicht nur um das Portfolio geht, sondern auch um die Philosophie und das Narrativ, das ihm zugrunde liegt.
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