Finanzielle Unabhängigkeit und Reichtum – worin besteht der Unterschied?
Finanzielle Unabhängigkeit und Reichtum – worin besteht der Unterschied? Ist nicht der eine Begriff ein Synonym des anderen? Aus diversen Unterhaltungen in den letzten Monaten weiß ich, dass sich viele Menschen nicht so richtig vorstellen können, finanzielle Unabhängigkeit zu erreichen. Der häufigste Grund ist finanzielle Unabhängigkeit mit Reichtum gleichzusetzen. Wenn man sich etwas nicht vorstellen kann oder der Zeitpunkt des Erreichens zu weit in der Ferne zu liegen scheint, dann ist der Antrieb zu schwach, für ein Vorhaben eine echte Entscheidung zu treffen. Entweder wird jemand gar nicht erst beginnen, die ersten wichtigen Schritte einzuleiten oder aber eine bereits kleine Gans, die goldene Eier legen könnte, wird für eine größere Anschaffung (z.B. ein Auto) geschlachtet. Beide Fälle durfte ich gerade erst in den letzten Wochen miterleben.
Grundsätzlich gilt, dass man nicht zwingend reich sein muss, um finanzielle Unabhängigkeit oder finanzielle Freiheit zu erreichen, schon gar nicht, wenn die erwünschte Freiheit nicht nur aufs Geld beschränkt bleiben soll. Denn es gibt durchaus Menschen mit viel Geld, die aber weder Freiheit noch innere Zufriedenheit erreicht haben.
Finanzielle Unabhängigkeit hängt nicht nur von der Höhe des Vermögens ab
Eine typische Rechnung ist: Ok, ich möchte 3.000 Euro netto als passives Einkommen pro Monat zur Verfügung haben. Jüngere Menschen tendieren oft zu einem etwas geringeren Betrag, Familienväter eher zu einem höheren Betrag. Die meisten Leute können sich passive Einkommen lediglich aus Investments vorstellen, also aus dem Besitz von Immobilien oder Wertpapieren wie Aktien. Mit Aktien erreicht man die Größenordnung von 3.000 Euro netto pro Monat mit einem Kapital von etwa einer Million Euro. Für ein einigermaßen diversifiziertes Vermögensportfolio sollten es aber schon mindestens zwei bis drei verschiedene Anlageklassen sein, was das dafür notwendige Kapital durchaus auf deutlich über eine Million Euro anheben lässt. Hier wird die Gleichung aufgestellt:
Anspruch (3.000 Euro netto / Monat) = Verzinsung aus Kapitalvermögen ( >1 Mio Euro )
Puh, eine Million Euro (oder sogar eineinhalb bis zwei Millionen Euro) ist für viele schon ein gewaltiger Berg vor der Brust, vor allem für Angestellte, die noch ziemlich am Anfang stehen. Selbst Gutverdiener kommen hier schnell auf einen Zeitraum der Zielerreichung von 20 Jahren und mehr. Hier geht es tatsächlich schon in den Bereich Reichtum hinein, erst recht, wenn man denn sogar 4.000 oder 5.000 Euro monatlich aus der Verzinsung des investierten Kapitales wünscht.
Finanzielle Unabhängigkeit lässt sich jedoch schon wesentlich früher erreichen. Hier unterstellen wir jetzt einmal, dass die Verzinsung aus Kapitalvermögen so weit an die Wünsche angepasst und optimiert wird, dass wir sie als fix betrachten. Nun betrachten wir weitere Variable, die wir selbst bestimmen können.
Die Größe „Anspruch“ in der Gleichung haben wir zu einem großen Teil selbst in der Hand. Wie viel Geld pro Monat benötigen wir wirklich? Zur Beantwortung dieser Frage wirkt ein Faktor auf den „Anspruch“, und zwar die „innere Freiheit/Zufriedenheit“. Dahinter steckt die Frage, wie viel Konsum jemand überhaupt benötigt, um seinen „Seelenfrieden“ zu finden. Gelegentlich komme ich noch in Wohnungen, in denen ein riesiger Fernseher, als Mittelpunkt des Wohnzimmers, thront oder es wird für rein private Zwecke jeweils die neueste Version eines SmartPhones gekauft. Im näheren Umkreis meines Wohnortes gibt es eine Familie, in der jedes Familienmitglied inklusive des bereits erwachsenen Nachwuchses sein eigenes Fahrzeug zur Verfügung hat. Wird dies im günstigen Fall noch aus dem Einkommen des aktiven Arbeitslebens bezahlt, bleibt lediglich wenig bis gar nichts für den Aufbau einer Gans, die goldene Eier zur finanziellen Unabhängigkeit legt. Natürlich muss jeder für sich selbst entscheiden, ob lieber der private Konsum oder finanzielle Unabhängigkeit priorisiert wird.
Schlimmer wird es bei einer regelrechten Kaufsucht, bei der – wie bei allen Süchten – unbewusst versucht wird eine innere Unzufriedenheit zu kompensieren. Hier werden die Symptome behandelt, anstatt die Ursachen des inneren Unfriedens zu beseitigen. Denn Kaufsucht führt über kurz oder lang in die Verschuldung. Auch wer sich durch seine Nachbarn, Arbeitskollegen oder sonstigem Umfeld angespornt fühlt jeweils die neuere oder „bessere“ Kleidung zu tragen und sowohl bei der Anzahl als auch Entfernung der Urlaubsreisen ganz vorne mit dabei zu sein, wird meist in finanzielle Probleme gelangen.
Für eine wichtige Zutat fehlt vielen die Vorstellungskraft
Auf der anderen Seite der Gleichung gibt es noch eine Komponente, die sich speziell Angestellte nur schwer vorstellen können, und zwar das Erschaffen von passiven Einkünften ohne (nennenswerten) Kapitaleinsatz. Hier liegt ein unglaubliche Chance verborgen, finanzielle Unabhängigkeit noch wesentlich früher zu erreichen als 20 Jahre und mehr hart zu sparen und ausschließlich auf Investments zu warten. Früher als Angestellter konnte ich es mir für einige Jahre ebenfalls kaum vorstellen, wie eine Umsetzung aussehen könnte. Heute weiß ich, dass es Wege gibt, die funktionieren. Als Inspiration mit entsprechenden weiterführenden Links kann ich den Artikel „Der Aufbau von passivem Einkommen neben dem Hauptberuf“ empfehlen und das Buch Kopf schlägt Kapital von Günter Faltin. Vor einigen Monaten konnte ich seine inspirierenden Ausführungen bei einer Veranstaltung persönlich miterleben.
Nun herrscht bei vielen Leuten noch die Vorstellung vor, dass mit dem Erreichen der finanziellen Unabhängigkeit oder finanziellen Freiheit keine nennenswerten beruflichen Aktivitäten mehr verbunden sind. Persönlich kenne ich niemanden, der eigentlich wegen Geld keiner beruflichen Aktivität nachgehen müsste, der nicht an irgendwelchen Projekten arbeitet oder weiter normal berufstätig bleibt. Mehr dazu in der Artikelserie: „Das Leben in der finanziellen Unabhängigkeit„. Sofern diese Aktivitäten nicht zu 100% ehrenamtlich sind, fließt immer auch noch ein Teil aktives Einkommen auf das eigene Konto. Nur mit dem Unterschied, dass sich jeder diese Tätigkeit aussuchen kann und damit zu 100% Herzensprojekte sind.
Also sieht die Gleichung folgendermaßen aus
Anspruch (in Abhängigkeit von innerer Freiheit/Zufriedenheit) =
Verzinsung aus Kapitalvermögen + passives Einkommen ohne Kapitaleinsatz (+ Einkünften aus aktiver Arbeit)
Bei genauerer Betrachtung dieser Gleichung wird nun klar, warum man schon mit deutlich weniger als einer Million Euro Kapital finanzielle Unabhängigkeit erreichen kann. Bereits der ziemlich prominente Geldcoach T.Harv Eker (So denken Millionäre) empfahl folgende Reihenfolge: Erst die finanzielle Unabhängigkeit zu erreichen und wer möchte dann anschließend Reichtum aufzubauen.
Fazit
Finanzielle Unabhängigkeit ist schneller zu erreichen als viele Menschen glauben können. Denn sie setzen finanzielle Unabhängigkeit mit Reichtum gleich. Wer sich vorwiegend darauf fokussiert, reich zu sein, wird einen deutlich längeren Weg gehen müssen, vor allem wenn nicht gleichzeitig die Grundregeln der finanziellen Bildung beachtet werden. Wer hohe Einnahmen erzielt, erhöht gleichzeitig oft auch seine Ausgaben enorm, womit die Unabhängigkeit und Freiheit noch weiter in die Ferne rückt. Letztendlich ist finanzielle Unabhängigkeit oder finanzielle Freiheit mehr als eine Rechnung über Einnahmen und Ausgaben. Wir Menschen können noch so viel rechnen, wenn uns die Emotionen durch so viele Verlockungen letztendlich einen Strich durch die Rechnung machen. Daher ist es neben der sachlich-kühlen Betrachtung von Einnahmen und Ausgaben aus meiner Sicht fast noch wichtiger, an seiner Einstellung bezüglich Konsum, Status Symbolen und Wettbewerb mit anderen zu arbeiten. Dann klappt es mit dem eigentlichen Ziel – mehr Freiheit und Lebensqualität zu erreichen – viel schneller als es heute den Anschein hat.
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Ob man nun mit einer Million oder mit 750k rechnet, beides erscheint natürlich sehr hoch. Es ist extrem hilfreich, wenn man die Verzinsung rückwärts rechnet: Wie sehen die Jahre davor aus? Ab welchem Punkt dominiert der Zins im Vermögensaufbau die Sparrate? In DM gab es den Satz: Die erste Million ist die Schwerste. Man kann das auf den Euro übertragen und feststellen: Nicht das Erreichen der Million ist das Problem, sondern das Erreichen eines deutlichen Bruchteils davon ist es. Danach braucht man nur noch Zeit.
Zu der gerne geäußerten leicht erreichbaren Rendite mit ETFs:
Was Zinsen angeht, so sind natürlich amerikanische Dividenden ein wesentlicher Teil. Man muss sich darüber klar sein, dass man dabei zwei Geschäfte eingeht: Die Aktien/ETFs und EUR/USD. In EUR/USD ist man unweigerlich mit einer erheblichen Position short und handelt damit fallende Kurse des Währungspaars, ob man will oder nicht. Nun kann man feststellen, dass sich die Schwankungen auf lange Zeit ausgleichen werden, was bedeutet, dass man erhaltene Gewinne wieder abgibt. Oder man reagiert, wenn das Paar an einem unteren Extrem ankommt, und geht in gleicher Höhe long, d.h. man sichert seine Position ab. Damit kompensiert die Absicherung die Verluste der impliziten short Position. Am oberen Ende wird die long Position aufgelöst und man ist frei, neue Währungsgewinne mitzunehmen.
Risiko: Macht man es falsch, d.h. EUR fällt weiter, nimmt man an diesem Gewinn nicht teil, weil long und short sich ausgleichen und damit den persönlichen Kurs fixieren. Man macht also keinen Verlust, sondern nimmt Gewinn nicht mit. Löst man die Position zu früh auf, gibt man Währungsgewinne ab.
Es handelt sich dabei um kein Absicherungsgeschäft der Aktien/ETFs, weil man diese ja langfristig halten will, sondern man nutzt nur die sowieso eingegangene short Position. Damit kann man es im weitesten Sinne mit covered calls vergleichen, wo auch eine Zweitnutzung der eingegangenen Position stattfindet.
Wer sich die EUR/USD Charts ansieht, wird feststellen, dass bereits seit einiger Zeit deutliche Währungsgewinne gemacht wurden. Es ist also durchaus angebracht, sich über deren Absicherung Gedanken zu machen.
Natürlich kann man davon kein Wunder erwarten, aber im Zinseszins machen schon kleine Verbesserungen viel aus, womit wir beim Anfang wären.